Haben Heilpraktiker trotz Coronavirus weiter geöffnet, was dürfen sie behandeln und was nicht, wie kann HPs bei Folgen von Terminabsagen geholfen werden? 6 Fragen und Antworten im Expertinnen-Interview mit Ursula Hilpert-Mühlig (Spoiler: Ja, HPs können öffnen)

In den Zeiten des Coronavirus haben Heilpraktiker*innen und ihre Patient*innen viele Fragen. Beispielsweise, ob Heilpraktiker weiter geöffnet haben können, obwohl viele Geschäfte schließen müssen. Einzelne Landkreise (die dafür zuständig sind) äußern sich zur Frage, wie z.B. der Kreis Steinfurt:

heilpraktiker

 

Solche Fragen haben Patienten und Heilpraktiker mir als Blogger in E-Mails gestellt. Ich habe die Fragen an eine Expertin weitergegeben: Ursula Hilpert-Mühlig, Heilpraktikerin und Präsidentin des Fachverband Deutscher Heilpraktiker (FDH). Sie vertritt den größten Verband von Vollheilpraktikern in Deutschland mit 7.500 Mitgliedern.

 

(Red. Hinweis: der Artikel ging am 18. März online und gibt die Lage bis zu diesem Tag wieder. Änderungen danach kann der Artikel nicht wiedergeben.)

 

Christian Becker: Zunächst die wichtigste Frage: können Heilpraktiker weiter ihre Praxen offen halten?

Ursula Hilpert-Mühlig: Alle Einrichtungen des Gesundheitswesens bleiben unter Beachtung höherer Hygiene-Anforderungen geöffnet.
Bislang sind Heilpraktiker-Praxen von dieser Regelung nicht ausgenommen.

Christian Becker: Heilpraktiker dürfen laut Infektionsschutzgesetz Erkrankungen mit dem Coronavirus weder diagnostizieren noch behandeln. Wie gehen Heilpraktiker damit um?

Ursula Hilpert-Mühlig: Zunächst sollten Patienten darüber informiert werden, dass  Heilpraktiker*innen  eine Infektion mit dem Coronavirus COVID-19 weder diagnostizieren noch behandeln dürfen. Das kann durch einen Aushang an der Praxistür und/oder auf der Praxis-Website erfolgen. Gleichzeitig sind dazu Handlungsanweisungen sinnvoll. Beispielsweise: „Haben Sie bitte Verständnis, dass wir Sie bei Erkältungserkrankungen (insbesondere mit trockenem Husten, Fieber, Atemproblemen, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen, evtl. begleitet von Übelkeit und Durchfall) derzeit nicht in der Praxis empfangen. Bitte wenden Sie sich telefonisch an Ihren Arzt oder an das Gesundheitsamt. Diese werden das Weitere veranlassen.“

Wenn sich Patienten telefonisch für einen Termin anmelden, bereits abfragen, ob Erkältungssymptome vorliegen, ob der Patient in den letzten zwei Wochen in einem Risikogebiet war (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html), ob er engeren Kontakt zu einem ihm bekannten Infizierten hatte. Besteht die Möglichkeit einer Coronavirus-Infektion, sollte der Patient die Praxis gar nicht erst aufsuchen, sondern  seinen Arzt oder das Gesundheitsamt telefonisch kontaktieren.

Auch sollte darauf geachtet werden, jeweils nur einen Patienten im Wartezimmer zu haben.

Die meisten Praxen sind Bestellpraxen. Es wäre also durchaus sinnvoll, einbestellte Patienten vorab telefonisch zu kontaktieren, um die Notwendigkeit einer Behandlung abzuklären. Jeder nicht notwendige soziale Kontakt sollte derzeit vermieden werden.

Sollte doch ein Patient mit dem begründeten Verdacht auf eine Infektion mit COVID-19 in die Praxis kommen, muss umgehend das zuständige Gesundheitsamt informiert werden und der Patient sollte bis zum Eintreffen des Rettungswagens von allen Kontakten isoliert werden. Für Heilpraktiker*innen besteht gemäß Infektionsschutzgesetz Meldepflicht.

Die Praxisräume mit sämtlichen (potentiellen) Kontaktflächen anschließend gründlich mit einem zugelassenen Desinfektionsmittel reinigen.

Medizinisches Personal, das mit einem Verdachtsfall in Kontakt gekommen ist, gilt bei Einhaltung der üblichen Hygienestandards nicht als „enge“ Kontaktperson und muss nicht unter Quarantäne oder getestet werden. Das weitere Vorgehen entscheidet allerdings das Gesundheitsamt.

Wenn der/die Heilpraktiker*in selbst erkrankt ist mit den typischen Symptomen des COVID-19, sollte umgehend der Praxisbetrieb eingestellt werden. Ein Test ist anzuraten, bei einem positiven Ergebnis entscheidet das zuständige Gesundheitsamt über die weitere Vorgehensweise.

 

Christian Becker: Wie können Heilpraktiker ihren verunsicherten Patienten jetzt helfen?

Ursula Hilpert-Mühlig: Beruhigend wirken in der Regel Aufklärung über das Virus selbst und über die Ansteckungsmodalitäten, damit Patienten ihr persönliches Risiko selbst einschätzen können.
Ein erhöhtes Risiko besteht über einen engen Kontakt. Das heißt, wenn man mindestens 15 Minuten mit einem Erkrankten gesprochen hat bzw.  angeniest oder angehustet wurde ohne größeren Abstand (1,5 bis 2 Meter). Grundsätzlich sollte in Zeiten erhöhter Ansteckungsgefahr auf körperlichen Abstand geachtet und Händeschütteln unterlassen werden. Man kann sich auch mit einem freundlichen Lächeln begrüßen.

Typische Symptome aufzeigen, damit Patienten eine gewisse Selbsteinschätzung vornehmen können: trockener Husten, Fieber, evtl. Schüttelfrost, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen, Schnupfen, evtl. Atemwegsprobleme, Übelkeit und Durchfall.

Die Wichtigkeit von Basishygiene betonen. Dazu gehören: häufiges und gründliches Händewaschen mit Seife, husten/niesen in ein Einmaltaschentuch oder in den gebeugten Ellenbogen.
Risikopatienten, also ältere Personen oder chronisch Erkrankte, dazu raten, derzeit nicht notwendige soziale Kontakte einzuschränken.

Gut verständliche Informationsangebote aufzeigen wie z.B. dasjenige der  Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.infektionsschutz.de.

Und selbstverständlich selbst für Fragen zur Verfügung stehen.

 

Christian Becker: Wie behandeln Heilpraktiker die Erkrankungen momentan jenseits des Coronavirus?

Ursula Hilpert-Mühlig: Wie sonst auch, je nach Beschwerdebild des Patienten. Grundsätzlich macht es in Zeiten erhöhter Infektionsgefahr Sinn, ein besonderes Augenmerk auf das Immunsystem zu richten. Hier können naturheilkundliche Verfahren stärken und die Selbstheilungskräfte anregen. Ernährungsberatung ist wichtig, damit ausreichend Vitalstoffe wie Vitamine, Mineralien und Spurenelemente zugeführt werden. Auf die Lebensführung der Patienten sollte Einfluss genommen werden, das heißt sie anzuleiten, ausreichend Ruhepausen einzuhalten. Nicht zu unterschätzen ist momentan der Stressfaktor durch die Sorge, sich womöglich selbst mit Corona zu infizieren oder die Sorge um den Arbeitsplatz oder finanzielle Engpässe. Hier sollte man ein zugewandter Ansprechpartner sein und viele Heilpraktiker*innen verfügen auch über ein Repertoire an Stressbewältigungstechniken, zu denen sie die Patienten anleiten können.

 

Christian Becker: Wie setzen Heilpraktiker moderne Formen der Behandlung, z.B. per Video ein? Nimmt dies momentan zu?

Ursula Hilpert-Mühlig: Das kann ich schwer beurteilen. Telefonische Beratung ist durchaus üblich, wobei der Behandler aber den Patienten zunächst persönlich untersucht haben muss. Gleiches gilt für die Kommunikation über Skype oder online. Bei jüngeren Heilpraktiker*innen nimmt das wahrscheinlich zu. Hier ist aber immer die besondere Sorgfaltspflicht zu beachten, die solchen Fernbehandlungen abverlangt wird.

 

Christian Becker: Für viele Heilpraktiker hat das Coronavirus auch negative Folgen wie abgesagte Termine. Wie kann diesen geholfen werden?

Ursula Hilpert-Mühlig: Heilpraktiker*innen sind zumeist Solo-Selbständige, mit dem Rückgang von Patienten wegen der Coronavirus-Infektion brechen ihnen die Einnahmen weg.

Oft erzielen Solo-Selbständige ein vergleichsweise geringes Einkommen und haben nicht so viele Rücklagen, sie stoßen daher schneller an finanzielle Grenzen. Ich kenne Kolleg*innen, die ihre aktuelle Situation als existenzgefährdend beschreiben.

Einen unmittelbaren Anspruch auf Entschädigung haben Selbständige nur, wenn sie wegen des Coronavirus in Quarantäne müssen. Dann zahlt das jeweilige Bundesland pro Monat ein Zwölftel des im Vorjahr veranschlagten Einkommens. So ist es im Infektionsschutzgesetz geregelt. Zuständig ist jeweils die Behörde, die eine Quarantäne angeordnet hat.

Jetzt nimmt die Politik offenbar auch diese Gruppen in den Blick. Das Bundeswirtschafts- und das Finanzministerium kündigten an, es Ein-Personen-Unternehmen und Freiberuflern zu erleichtern, Steuern stunden und Steuervorauszahlungen nach unten korrigieren zu lassen. Außerdem verweist die Bundesregierung auf KfW-Kredite, die auch Solo-Selbständige und Kleinstbetriebe bei kurzfristigen Liquiditätsproblemen zustehen sollen.


Ergänzung 19.3.: „Die Bundesregierung plant nach Informationen des SPIEGEL ein üppig ausgestattetes Rettungspaket für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmer bis zehn Beschäftigte, die von den Folgen der Coronakrise betroffen sind. Dafür will sie insgesamt 40 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Zehn Milliarden Euro davon sollen als direkte Zuschüsse an notleidende Ein-Personen-Betriebe und Kleinstunternehmen vergeben werden, der Rest von 30 Milliarden Euro als Darlehen. An Betrag und Zusammensetzung der Hilfen kann sich im Verlaufe des Tages noch etwas ändern.“ …mehr

 


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